EZA: Guatemalas Bevölkerung ist mehrheitlich indigener Abstammung. Mehr als die Hälfte der über 16 Millionen EinwohnerInnen sind Mayas. Die spanische Kolonialgeschichte begann mit Massakern an der indigenen Bevölkerung. Rund zwei Drittel der Bevölkerung starben durch Gewalttaten oder eingeschleppte Krankheiten. Die Kirche und die Eroberer teilten die Ländereien auf und setzten die überlebenden Maya als Sklaven ein. Nachdem Guatemala am 15. September 1821 unabhängig wurde, verteilte die Kirche die Ländereien unter den Eliten. Ein Grundkonflikt in Guatemala ist die ungerechte Landverteilung. Durch korrupte politische MachthaberInnen breitete sich der Einfluss der USA immer stärker aus. Die United Fruit Company - heute Chiquita - konnte davon am stärksten profitieren. Zwischen 1931 und 1944 trat sogar ein altes Gesetz der indigenen Zwangsarbeit wieder in Kraft. Nach der "Oktoberrevolution" 1944 sah es nach einer Verbesserung der demokratischen Rechte aus. Durch eine Agrarreform wurde die United Fruit Company enteignet und ungenützte Böden an landlose Bauernfamilien verteilt. Die USA intervenierten und inszenierten einen Staatsstreich, der in einen vier Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg mündete. Die Mayas waren die Hauptleidtragenden des Krieges, der 36 Jahre in dem zentralamerikanischen Land tobte und eine zerrissene und traumatisierte Gesellschaft hinterließ. Ein Krieg, den Staat und Militär nicht nur gegen Guerillaeinheiten führten, sondern mit unvorstellbarer Grausamkeit auf die vorwiegend indigene zivile Bevölkerung ausdehnte. Ein Massenmord mit 200.000 Toten, an die 45.000 Verschwundenen, mehr als 400 zerstörten Dörfern und 1 Million intern Vertriebenen ist die traurige Bilanz dieses Krieges. Die Ursachen des Krieges sind auch Jahre nach dem Friedensabkommen von 1996 zwischen Regierung und Guerilla nicht beseitigt. Kaum anderswo in Lateinamerika findet man eine ähnlich ungerechte Landverteilung und hohe Konzentration des Reichtums in den Händen weniger. Rund zwei Drittel der Ländereien sind in Besitz von 3% der Bevölkerung. Gewaltverbrechen, Korruption, organisierte Kriminalität und Straflosigkeit gehen bis heute Hand in Hand. Illegale Kräfte und geheime Sicherheitsapparate bilden parallele Machtstrukturen und tragen zur allgemeinen Verunsicherung der Menschen und zur Destabilisierung des Landes bei. Der Zugang zu Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten ist schwierig. Aus diesem Grund emigrieren viele GuatemaltekInnen in die USA und nach Mexiko, wo sie als billige Arbeitskräfte „ihr Glück“ versuchen.
Die Gemeinde Cantel, der Sitz COPAVICs, liegt auf über 2000 Metern Höhe, umgeben von den Vulkanhügeln des westlichen Hochlandes. 17 Glasarbeiter schlossen sich 1976 zu einer Kooperative zusammen. Sie kehrten ihrem ausbeuterischen Arbeitgeber von damals den Rücken und übernahmen selbst die Kontrolle über die Produktion und Vermarktung der Glasprodukte. Mit etwas Eigenkapital erwarben sie ein Grundstück und Baumaterial, für die Ausstattung der Werkhalle erhielten sie einen Kredit. Es folgte eine schwierige Zeit und mehr als einmal stand die Organisation kurz vor dem Aus. Unverlässliche KundenInnen verweigerten die Bezahlung, der Markt war schwer zu erschließen und auch interne Probleme setzten den Leuten zu. Anfang der 1990er Jahre knüpfte COPAVIC erste Kontakte mit Organisationen des Fairen Handels. Damit tat sich die Tür zum Exportmarkt auf. Durch den Fairen Handel bekam die Kooperative nicht nur Zugang zu neuen Märkten, sondern erhielt auch Designberatung und technische Unterstützung. Das Auftragsvolumen stieg, ließ aber in den letzten Jahren wieder nach. Die eine Hälfte der Produktion wird exportiert, die andere wird in Guatemala verkauft. Der Export geht zu 100% an Organisationen des Fairen Handels. Die EZA Fairer Handel ist heute die größte Abnehmerin. Für die lokale Vermarktung besonders wichtig ist der angeschlossene Verkaufsraum, ein beliebtes Ziel für TouristInnen.
Heute arbeiten in der Zeit der Produktion bis zu 40 Männer in der Kooperative. Arbeit rund ums Jahr kann nicht mehr sichergestellt werden. Trotzdem stellt das Einkommen aus der Glasproduktion bis zu 60 - 80% des monetären Familieneinkommens dar. Den Rest der Zeit arbeiten die meisten Produzenten in der Landwirtschaft. In der Hochzeit der Kooperative konnten die Mitglieder mit ihren Erlösen aus der Produktion Projekte in ihrer Heimatgemeinde finanzieren (z.B. im Bereich der Strom- und Wasserversorgung). Einmal wurde sogar ein Feuerwehrauto für die freiwillige Feuerwehr des Ortes angeschafft. Zuletzt sind durch den Verlust wichtiger Fair-Handels-Partner die Aufträge stark eingebrochen. Doch die Mitglieder von COPAVIC werden nicht müde zu betonen, dass es sie ohne die Nachfrage aus dem Fairen Handel längst nicht mehr gäbe.
Die Arbeit in der Glasbläserei selbst beginnt um fünf Uhr früh und endet um ein Uhr nachmittags. Die Löhne bei COPAVIC liegen zwischen 10 und 30% über dem offiziellen Mindestlohn, je nach Können und Aufgabe des Arbeiters. Am meisten schätzen die Mitglieder von COPAVIC ihre Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit als Organisation. In dem von den Mitgliedern verwalteten Betrieb bestimmen sie über die Arbeitsbedingungen, Preise, Entlohnung und Geschicke der Organisation. 21 der rund 40 Männer sind eingetragene Mitglieder COPAVICs, alle anderen übernehmen ausschließlich Aufgaben in der Produktion. Kooperativenmitglieder haben nicht nur mehr Rechte, sondern auch mehr Pflichten. Ihr Engagement geht über die reine Produktion hinaus und spiegelt sich in der Verantwortung für den Gesamtbetrieb wider. Die eingetragenen Mitglieder sind auf der jährlichen Generalversammlung, in der auch der Vorstand der Kooperative gewählt wird, stimmberechtigt. Die Erfahrung der Gründungsmitglieder mit Ausbeutung und der Missachtung ihrer Arbeitsrechte lässt sie an ihrer Kooperative festhalten und auch unter den aktuell schwierigen Bedingungen nicht ans Aufgeben denken.
Das Ausgangsmaterial für die Glasprodukte ist ausschließlich Altglas und kommt von Getränkefirmen und Abfüllanlagen aus der Region. Es wird sortiert, gereinigt und im Ofen bei einer Temperatur von 800 - 1000 Grad über mehrere Stunden eingeschmolzen und dann mir der Glasmacherpfeife in verschiedene Formen geblasen.
Die mundgeblasenen Glasprodukte aus Recyclingglas von COPAVIC sind über EZA und WELTLÄDEN erhältlich.
„Die Angestellten profitierten von den Gewinnen, die der Verkauf der Glasprodukte abgeworfen hat. Das hat sie auch wirtschaftlich gestärkt, und so kam es zu einigen Verbesserungen. Manche hatten damals kein Haus, heute haben sie eins, ihre Kinder haben bessere Ausbildungsmöglichkeiten und können einen Beruf erlernen – alles auf Basis der Anstrengungen, die ihre Väter in der Kooperative leisten.“ - Quelle: Hector Yac - COPAVIC
COPAVIC ist seit 2002 Partnerorganisation der EZA Fairer Handel GmbH und seit 1991 in Kontakt mit anderen europäischen Fair-Handels-Organisationen. Die positiven Aspekte des Fairen Handels sind:
- Löhne liegen 10 - 30% über dem offiziellen Mindestlohn für Guatemala
- Gewinnbeteiligung der Mitglieder
- Mitbestimmung der Mitglieder auf allen Ebenen
- Sozial- und Bildungsfonds der Kooperative
- Designinputs und Marktinformationen aus Europa
- Vorauszahlung von mindestens 50% des Bestellwerts bei Auftragsvergabe
Nach wie vor sichert der Faire Handel die wirtschaftliche Basis für diesen von Arbeitern und Glasbläsern selbstverwalteten Betrieb, allen voran die Bestellungen der EZA Fairer Handel GmbH.